Vom 24.-28. Oktober 2016 fand die Jahresversammlung der FIG-Kommission 7 im beeindruckend schönen und historischen Coimbra in Portugal mit Delegierten aus ca. 30 Ländern statt. Darin eingebettet war die 2-tägige Geoconference zum Thema "Cadastre 4.0 – Transparency-Participation-Collaboration" mit insgesamt ca. 100 Teilnehmern.
Die Veranstaltung wurde am Schlusstag mit einer technischen Exkursion ins Douro-Tal und nach Porto abgerundet, wo ein Kataster zur Bewertung der Parzellen für die jährliche Bestimmung von Produktionskontingenten der Port-Weine vorgestellt wurde.
Geschäfte der FIG-Kommission 7
Die FIG-Kommission 7 hat ihr Programm am ersten Tag mit Statusberichten aus den vier Arbeitsgruppen begonnen:
- WG7.1 (Chrit Lemmen) – Fit-For-Purpose Land Adminstration: Global Agenda 2030, SDGs, LUP journal issue on LADM in Dec. 2015, creation of an OGC Land Administration Domain Working Group à OGC event in Delft in March 2017;
- WG7.2 (Daniel Paez) – Land Management in Climate Change and Pre- and Post-Disaster Areas: land is about people, people-land relationship is unique for each culture, conflicts are about land, climate change, disaster management;
- WG7.3 (Robin McLaren) – Crowdsourcing of Land Rights: call for participation;
- WG7.4 (Conrad Tang) – Citizen Cadastre: changing forms of land tenure, changing land policy by governments, security of tenure, 3D cadastre.
Der erste Tag wurde mit "country reports" abgerundet. Dabei wurden Delegierte berücksichtigt, die neu in der Kommission 7 sind oder besondere Neuigkeiten aus ihrem Land berichten konnten.
Der zweite Tag hatte folgenden Inhalt:
- die vier Arbeitsgruppen haben ihre Thematik in break-out sessions diskutiert;
- der Status des "Cadastral Template"-Projektes wurde vorgestellt und diskutiert (siehe weiter unten bei Schweizer Beiträgen);
- es wurde ein Kurzworkshop "International curriculum on responsible Land Administration" unter Leitung von David Mitchell durchgeführt; das Ziel ist der Aufbau eines Netzwerkes von Ausbildungsinstituten, um den gegenseitigen Austausch pflegen zu können.
- Weitere Informationen der Kommission 7:
- Das Jahresmeeting 2017 wird in Cartagena, Kolumbien ca. Ende November 2017 stattfinden
Schwerpunkte der Geoconference
Zu Beginn der Geoconference wurde das portugiesische Kataster vorgestellt, welches nur zu ca. 1/3 Flächendeckung erreicht hat bis heute. Vollständigkeit gibt es vor allem in Lissabon und Porto, und – aus Prosperitätsgründen – im Douro-Tal. Wegen finanzieller und politischer Schwierigkeiten ist der Fortschritt in den übrigen Gebieten aber langsam. Der Aufbau einer nationalen Geodateninfrastruktur ist ebenfalls in Verzug, wird aber an die Hand genommen.
Ein Beitrag aus Norwegen hat die Problematik eines Katasters ohne Qualitätsstandards aufgezeigt. In Norwegen ist es Aufgabe der Gemeinden, Parzellen auf Antrag von Grundeigentümern zu vermessen. Die beauftragten Vermesser sind keine lizenzierten Berufsleute und Fehler entsprechend häufig. Dies führt zu Unzuverlässigkeiten und Ungenauigkeiten und entsprechend zu einer relativ hohen Zahl an Grenzstreitigkeiten, die von speziellen "Boundary Courts" behandelt werden. Eine Änderung des Systems steht aber nicht in Aussicht, da diese Courts ein gewisses Interesse am Status Quo haben.
In Mozambique, 20mal grösser als die Schweiz, wird ein neues Landregister für ca. 5 Millionen Parzellen in 4'000 Gemeinden aufgebaut. Das Hauptproblem ist dabei, dass es bereits verschiedene, sich z.T. widersprechende Register gibt. Auch wird die geplante zentrale Verwaltung der Daten durch die schwierigen Kommunikationswege stark erschwert.
Ein Beitrag aus Estland hat den fortschrittlichen Stand des Katasters und der Geoinformationsinfrastruktur aufgezeigt. Estland ist sehr weit fortgeschritten mit der Digitalisierung seiner Daten und Dienstleistungen; es wurde ein umfassendes Portal mit allen Informationen vorgestellt (http://geoportaal.maaamet.ee/eng/).
Der Beitrag aus der Tschechischen Republik hat gezeigt, dass mit einer zentralen Software-Lösung für das ganze Land sehr effizient auf Kundenwünsche eingegangen und damit das Vertrauen in das Katastersystem gesteigert werden kann.
In Kolumbien steht die Lösung des Hauptgrundes des Bürgerkrieges im Vordergrund, nämlich die Wiederherstellung und Dokumentation der Grundeigentumsverhältnisse. Der Beitrag hat die Wichtigkeit des Gesprächs mit den Leuten vor Ort hervorgehoben, denn diese wissen im Prinzip am besten Bescheid über die Verhältnisse. Es wurde betont, dass "fit-for-purpose" auch "fit-for-people" sein muss.
Die Schlussdiskussion hat gezeigt, dass Vermesser in ihrer Denkweise oft in gewissen Methoden und Technologien gefangen sind, den Hauptzweck einer Katastervermessung häufig aber aus den Augen verlieren. Es wird vielfach nur aufgelistet, was aus verschiedensten Gründen nicht möglich sei. Der Hauptzweck einer Katastervermessung aber ist Eigentumssicherheit herzustellen und zu gewährleisten, und dies so rasch und kostengünstig als möglich; der cm spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Innovative Lösungen sind gefragt, wozu uns heutzutage eine Vielfalt von technischen Instrumenten zur Verfügung stehen würde.
Es entstand ebenfalls der Eindruck, dass Vermesser eher Technokraten sind, und nicht immer gut darauf vorbereitet sind, mit Politikern und Entscheidungsträgern zu diskutieren. Ein allgemein gültiges Argumentarium wäre hilfreich, um auf die wirtschaftlichen und sozialen Vorteile eines Katasters hinweisen zu können. Ein "fit-for-purpose"-Vorgehen hilft sicherlich, ist aber noch nicht genügend. Es muss aufgezeigt werden können, dass der Aufbau eines Katasters zwar relativ teuer ist, während der immense, viel grössere Nutzen erst später zum Tragen kommt.
Beiträge aus der Schweiz
Als Präsident von CLGE hat Maurice Barbieri ebenfalls an der Geoconference teilgenommen. Er hat in seiner Präsentation die Stellung der privaten Geometer in den verschiedenen Ländern dargelegt und dabei auch das Schweizer Katastersystem u.a. mit Hilfe von Folien der Vermessungsdirektion vorgestellt.
Die Präsentation des Autors an der Geoconference hatte den Titel "Towards the 5th dimension"; die Thematik spiegelt vor allem die Diskussionen des Think Tanks "Dimension Cadastre" (TT), wo wir versuchen, die Richtungen aufzuzeigen, in die sich unser traditionelles Kataster entwickeln könnte. Beim Vergleich von anderen Präsentationen stimmt unsere Schweizer Stossrichtung mit diesen überein.
Der Autor hat in der FIG-Kommission 7 den Stand des Cadastral Template-Projektes vorgestellt, welches mit Ressourcen zu kämpfen hat. Das Mandat zusammen mit der University of Melbourne läuft per Ende Jahr aus und es ist noch nicht klar, ob und wie es weitergeht. Es gibt dabei 2-3 Optionen, die abgeklärt werden müssen; eine davon ist die Möglichkeit der weiteren Betreuung durch die Schweiz, was aber ein gewisses Engagement bedingen würde.
Fazit aus Schweizer Sicht
Die Arbeit des Think Tank geht thematisch in die richtige Richtung. Unsere Arbeiten werden geschätzt und wir werden als Vordenker anerkannt. Diese Position kann aber nur mit weiteren kontinuierlichen Fortschritten gehalten werden.
Die AV in der CH ist konzeptionell nach wie vor an der Spitze mit dabei, doch sind uns viele Länder, die eine zentrale Organisation haben, bezüglich Flexibilität und Kundendenken weit voraus. Dies vor allem aus dem Grund, weil mit nur 1 Entscheidungsträger die Kundenperspektive stärker gewichtet wird und besser sichtbare Resultate erzielt werden (CH hat 26+1 Entscheidungsträger).
CH/swisstopo könnte mit einer zukünftigen grösseren Unterstützung des Cadastral Templates einen grösseren Beitrag leisten und sichtbarer werden.
Fazit zu Kommission 7: Die Kerngruppe, die effektiv Beiträge für die Kommission liefert, wird immer kleiner. Es entsteht auch der Eindruck, dass international gesehen das Thema "Kataster" – und damit die FIG-Kommission 7 – je länger je mehr von NL geprägt wird. Es ist auch zu beobachten, dass der Anteil an touristischen Delegierten eher zunimmt, was für die Zukunft eher Bedenken auslöst; allerdings muss berücksichtigt werden, dass "Touristen" auch mitfinanzieren helfen.
Fazit für die GRI: Die Teilnahme an FIG-Kommission 7-Veranstaltungen sind wichtig, denn diese wird nach wie vor als Kern der FIG betrachtet, einerseits vom Thema her, aber auch von den Aktivitäten und Anzahl Teilnehmern her. In Coimbra war auch die FIG-Präsidentin dabei. Ein enorm wertvoller Aspekt ist das weltweite Networking unter Berufskollegen. Was auffällt, ist, dass in der Kommission 7 die jüngere Generation tendenziell eher fehlt. Für uns Schweizer ein Grund mehr, dass auch wir vermehrt Young Surveyors zur Teilnahme animieren sollten.
Daniel Steudler